Was ist Multiple Sklerose (MS)?

Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des Gehirns und des Rückenmarkes, des sogenannten zentralen Nervensystems (ZNS), die vor allem junge Erwachsene betrifft.

Die MS ist eine der führenden Ursachen für bleibende Behinderungen in diesem gesellschaftlich, körperlich und beruflich aktiven Alterssegment; die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) schätzt, dass allein in Deutschland 160.000 bis 180.000 Patienten betroffen sind.

Grundsätzlich werden bei der MS zwei Verlaufsformen unterschieden, die auch überlappend auftreten können.

  • Bei der häufigeren, schubförmigen Variante treten Beschwerden zunächst nur passager auf und entwickeln sich im Verlauf oft zurück.
  • Bei der chronisch-progredienten Verlaufsform akkumulieren Symptome und Beschwerden dagegen kontinuierlich, so dass früh alltagsrelevante Einschränkungen auftreten können.

    Welche Symptome sind typisch bei Multiple Sklerose (MS)?

    Die ersten MS Symptome können sehr unterschiedlich sein und reichen von Sehstörungen, Gefühlsstörungen über Muskelschwäche bis hin zu Blasen- oder Mastdarmstörungen. Dies kann man dadurch erklären, dass nahezu an jedem Ort im ZNS eine entzündliche MS Läsion entstehen kann. Die hieraus entstehenden Vernarbungen (Sklerosierungen) an verschiedenen (multiplen) Stellen des ZNS prägten bereits bei frühen Erstbeschreibungen der Erkrankung im 19. Jahrhundert ihren Namen. Oft halten erste Beschwerden bei Erstmanifestation nur wenige Tage an, so dass viele Patient*innen erst nach nochmaligem Auftreten neurologischer Ausfälle eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen. Im Verlauf kann es neben diesen klar abgrenzbaren Symptomen zu deutlich diffuseren Beschwerden wie einem schleichenden Abbau intellektueller Fähigkeiten, sowie einer generalisierten Ermüdbarkeit (Fatigue) kommen.

    Wie entsteht Multiple Sklerose (MS)?

    Die genaue Ursache der MS ist noch immer unbekannt. Vermutet wird eine auto-immune Entstehung, bei der Entzündungszellen bestehend aus weißen Blutkörperchen aus dem Körper und Immunzellen aus dem Gehirn die sogenannten Markscheiden (Isoliermembranen die die Nervenzellfortsätze umhüllen) angreifen und zum Teil zerstören. Dabei kann durch die entzündliche Schwellung ein passagerer Funktionsverlust nicht nur der direkt angegriffenen, sondern auch der Nervenzellen und deren Fortsätze (Axone) in der Umgebung eintreten.

    Besteht die Entzündung über längere Zeit fort, kommt es zu einem Untergang der Nervenzelle, deren Isoliermembran zerstört wurde und damit zu einem irreversiblen Funktionsverlust. Verschiedenen Risikofaktoren wird bei der MS eine auslösende Rolle zugerechnet. Hierzu zählen neben einer genetischen Disposition eine Infektion mit einem Virus (Epstein-Barr Virus - EBV), Übergewicht, Rauchen und eine unzureichende Sonnenlicht-Exposition, verbunden mit Vitamin D Mangel.

    An der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) beschäftigen sich verschiedenen Kliniken und Institute, u.a. die Klinik für Neurologie, das Institut für Neuroimmunologie sowie das Institut für Neuropathologie und mit der Frage, wie MS entsteht und was die Erkrankung vorantreibt. Unser gemeinsames Ziel ist es, diese vorhandene Forschungs-Expertise in den kommenden Jahren noch stärker direkt in klinischen Nutzen für unsere Patient*innen umzumünzen. Zu diesem Zweck wurde an der UMG vor kurzem das interdisziplinäre „Klinische MS Zentrum“ gegründet

    Wie wird Multiple Sklerose (MS) diagnostiziert?

    Die MS ist eine sogenannte Ausschlussdiagnose, was bedeutet, dass zur Diagnose eine Vielzahl von Alternativdiagnosen, wie z.B. erregerbedingte Entzündungen wie eine Neuroborreliose oder eine Gefäßentzündung ausgeschlossen werden müssen. Die diagnostischen Säulen der MS bestehen neben der genauen Erhebung der Krankengeschichte und dem klinischem Befund aus der Magnetresonanztomographie (MRT)-Bildgebung, die oftmals typisch um die inneren Nervenwasserräume gelegene entzündliche Läsionen zeigt.

    Durch verschiedene MRT-Sequenzen sowie die Gabe von Kontrastmittel kann Läsionsalter und -aktivität abgeschätzt werden, was bei unterschiedlichem Läsionsalter das Diagnose-Puzzleteil „chronisch-wiederkehrend“ liefert. Daneben haben elektrophysiologische Untersuchungen mit denen die Reizweiterleitung z.B. im Sehnerv oder den Rückenmarksbahnen gemessen werden eine wichtige Bedeutung.

    Prof. Weber der Klinik für Neurologie in Göttingen ist Spezialist für das Krankheitsbild MS

    Sie können die Schädigung der ‚Markscheiden’ im ZNS bestätigen. Zusätzlich spielt die Untersuchung des Nervenwassers eine zentrale Rolle, da hiermit der ‚autoimmun-entzündliche’ Charakter der MS durch den Nachweis von Antikörpern bestätigt und andere Ursachen ausgeschlossen werden können.

    Um auch klinisch, bildgebend oder laborchemisch außergewöhnliche Fälle sicher diagnostizieren zu können, haben sich an der UMG verschiedene Fachabteilungen zu einem überregionalen, interdisziplinären „Klinischen MS-Zentrum“ zusammengeschlossen. Hieran beteiligt sind vier Kliniken der UMG (Neurologie, Klinische Neurophysiologie, Kinder- und Jugendmedizin, Augenklinik) sowie die Institute für Neuroradiologie und Neuropathologie. Hauptaufgabe dieses Zentrums ist es sein, die unterschiedlichen Expertisen zum Nutzen des individuellen Patienten zu bündeln, die Zusammenarbeit mit niedergelassenen Kollegen zu fördern, und die vermehrte Durchführung klinischer MS Studien an der UMG zu ermöglichen.  

    Wie wird die Multiple Sklerose (MS) behandelt?

    Bei der Behandlung der MS gelangen in den letzten Jahrzehnten substanzielle Fortschritte. Akute Erkrankungsschübe können mit intravenös verabreichtem Cortison, seltener auch mit einer zusätzlichen Blutwäsche begrenzt werden. Entscheidend für den weiteren Verlauf sind jedoch die mittlerweile zahlreichen Möglichkeiten das Auftreten von Erkrankungsschüben schon vorbeugend deutlich unwahrscheinlicher zu machen. Zu diesen sogenannten Schubprophylaktika gehören zum einen langfristig bewährte Medikamente die vom Patienten selbst gespritzt werden, sowie neuere Therapeutika in Form von Tabletten.

    Schwerwiegende oder primär therapierefraktäre Verläufe werden an unserem Zentrum durch Infusionstherapien, bei denen meist monoklonale Antikörper zum Einsatz kommen, behandelt. Allen aktuell verfügbaren Medikamenten ist gemeinsam, dass sie mehr oder weniger stark in die Funktion des Immunssystems eingreifen, und damit das Risiko für Infektionen und Tumorerkrankungen erhöhen können. Gleichzeitig besteht ihre Funktionsweise in der Verhinderung der Aktivierung und (Neu-)Einwanderung von Immunzellen in das ZNS, wodurch sie das Auftreten akuter Erkrankungsschübe in Form neu entstehender Läsionen reduzieren. Allerdings lassen sich Entzündungs- oder Abbauvorgänge, die innerhalb des zentralen Nervensystems ablaufen, nur ungenügend kontrollieren, da die meisten Therapeutika nicht oder nur sehr bedingt in das Hirngewebe eindringen können. Das ist wohl auch der Grund, warum sich, und die diffuse chronische Entzündung im Hirngewebe, die mit einem schleichenden Verlust von Nervenzellen einhergeht, durch die vorhandenen Therapieverfahren noch immer nicht kontrollieren lässt.

    Vor allem durch die neuen Medikamente hat sich die langfristige Prognose der MS deutlich gebessert. Bei frühzeitigem Einsatz dieser Präparate kann bei dem weitaus größten Anteil an Patient*innen eine schwere Behinderung auch über Jahrzehnte verhindert werden. Trotzdem bleibt festzuhalten, dass die MS nicht heilbar ist und der kontinuierliche Einsatz von Medikamenten auch Risiken birgt.

    So bleibt es unabdingbar, zum einen den Therapieerfolg eines Medikamentes durch kontinuierliche klinische und neurophysiologische Evaluation aber auch durch die MRT Bildgebung zu kontrollieren, um gegebenenfalls die therapeutische Strategie anzupassen. Andererseits ist es immer wichtiger geworden, mögliche Nebenwirkungen potenter MS Medikamente frühzeitig zu erkennen, um auch hierdurch drohenden Schaden abzuwenden. Dies erfordert eine kontinuierliche, enge Zusammenarbeit zwischen Ärztin/Arzt, MS Pflege und Patient*innen. Gelingt eine solche, kann jedoch gleichermaßen festgehalten werden, dass mithilfe eines ausgewogenen, individuell angepassten Therapieregimes die negativen Auswirkungen dieser chronischen Erkrankung auf das Leben junger Menschen in den letzten Jahren viel besser beherrschbar geworden sind.

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